Hiddestorf

Der Dreißigjährige Krieg, den die Stadt Hannover fast unbeschadet überstanden hat, brachte den umliegenden Dörfern des Calenberger Landes unermeßliche Schäden und Verluste. So setzen die meisten Kirchenbücher erst in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts ein.

Was mag Margreta Mummentei in ihrem langen Leben, dessen wesentliche Zeit durch diesen Krieg überschattet war, gesehen und erlebt haben? Margreta war mit dem Pastor Petrus Nordhofius verheiratet. Der Pastor Nordhofius war zunächst Lehrer in Wennigsen und bekam 1622 eine Pfarrstelle in Wettbergen, die er bis 1626 betreute. Im gleichen Jahr tritt er die Pfarrstelle in Hiddestorf an, die er bis zu seinem Tode am 6.1.1653 innehat. In das kleine Hausbuch von 1628 des von Lathausen, einem Nebenbuch des Hiddestorfer Kirchenbuches, hat er eingetragen:

Vor 21 Jahren hat Laurentius Zlüter, der erste hiesige Prediger diese Welt gesegnet. Nach Absterben meines Antecessori Ehren Johan Pott, bin ich Petrus Nordhofius 1626 Dn. post trinitatis vom fürstl. Consistorio an deßen Stelle gesetzet undt durch Andreus Niemeier Spezialsuperintendenten, neben dem Ambtmann Anton Scharf introduiret und pro Pastore eingeführet, da denn mier daß pfarhauß mit allem Zubehör, Freiheit und Gerechtigkeit im Holtz und Frede angewiesen-, wegen des Höchstadeligen Kriegswesens ist das Pfarrhaus derogestalt im grunde verderbet, daß weder fenster noch thüren, zaun, thorweg, noch pforten, Stuben undt sonst darin befindliches, deshalben mich am vorigen orthe zu Wetbergen biß Martini aufhalten müßen, biß ich auf meine große kosten und Verlust, was schleunigst könte verfertiget werden machen laßen und mich anfangs zumal kümmerlich behelfen müßen. Petrus Nordhofius.“ Rudolf Schröder, a.a.O. S. 80f

Wo können sich Margreta Mummentei und Petrus Nordhofius kennengelernt haben und wo haben sie geheiratet? In der Eintragung fehlt jeglicher Hinweis auf einen ehelichen Hausstand und Petrus Nordhofius hätte es zur Darstellung seiner sehr mißlichen Lage bestimmt aufgeführt. So kann angenommen werden, daß die Heirat erst nach seiner Versetzung in das Hiddestorfer Amt in stattgefunden hat.

In Hiddestorf haben zur Zeit der Erhebung der Türkensteuer 1557 schon Mummenteis gewohnt. „Mummenthei       ii   steht ohne Angabe eines Vornamens an 22. Stelle in einer Liste der 36 Personen mit Hausbesitz. In das Bedauern, daß hier der Vorname nicht eingetragen wurde, mischt sich die Frage nach einer plausiblen Erklärung, warum hier fehlt, was bei den anderen 35 Eintragungen vollzählig genannt worden ist. Darauf wird noch einzugehen sein. Die beiden ‚ii’ stehen für die Zahl der Hausbewohner, hier also 2 Personen, ohne Kinder, die nicht zur Steuer herangezogen wurden. In der Schreibweise des Namens tritt hier erstmals das th also Mummen(th)ei auf.

1584 gab es in Hiddestorf einen freyen Sattelhof, 9 Meyerleuthe, 4 Halbspenner, 21 Köter und 3 Auf der Gemeine. Weil sich solche Zahlen  innerhalb von 27 Jahren nur unwesentlich verändern, wird der an 22. Stelle, ohne Vornamen benannte Mummenthei auf einem Kötnerhof gesessen haben, da auch die Liste von 1557 dem o.a. Ordnungsschema folgt. Der Kötner, Köter, Kötter also der Besitzer eines Kothofes, einer kleinen Hofstelle am Rande des Dorfes mit Ackerland meist geringerer Güte und geringeren Umfanges, als Kotsasse oder Hintersasse mit Teilhabe an aufgeteilten Höfen oder von Hofstellen abgeteiltem Land. Die Kate als kleines, bescheidenes Haus, eher vielleicht eine Hütte und der Kätner beschreiben die soziale Einordnung nach einem Besitz, der zum Leben nicht ausreicht und als Nebenerwerbsstelle noch eine Tätigkeit als Handwerker oder Handlanger erfordert. Neben Meiern und Halbspännern wurden oft auch die Kötner zu Hand-, nicht aber zu Gespanndiensten, für einen oder mehrere Tage herangezogen. Im Calenberger Hausbuch ist auch die Waffe eingetragen mit der die Hiddestorfer im Kriegsfall antreten mußten: bei den Kötnern war es der Federspieß gegenüber dem Knebelspieß bei den Häuslingen. Die Halbspänner waren mit einem Langrohr bewaffnet, die Meierleute mit Langrohr und Kurzrohr.

Der Name Mummenthei, 1557 im Register zur Türkensteuer unter Hiddestorf eingetragen, ist dort ungefähr eine Generation später auch unter den Beibauern und Häuslingen (ohne Haus- oder Hofstelle) nach dem Calenberger Hausbuch und der Musterungsrolle nicht mehr vertreten. Auch in der Kopfsteuerbeschreibung von 1686/89 tritt der Name in Hiddestorf nicht mehr auf. Betrachtet man einen kurzen Zeitabschnitt um 1600, so ergeben die verschiedenen Quellen folgende Verteilung des Namens auf das Calenberger Land:

In Jeinsen Beibauer Henni Mummenteis Witwe und Kötner Henni Mummentei, in Hüpede Kötner Hanß Mummentei, in Oerie Halbspänner Hanß Mummentei, in Lühnde unter den Kötnern Hinricus Mummenteys Witwe, in Groß-Lobke die Kötner Tilcke Mummentey, Jacob Mummentey, Harmen Mummentey, Curdt Mummentey und Tile Mummentey. In Klein-Lobke die Halbspänner Tihle und Curdt Mummentey und schließlich in Hannover Dietrich Mummentey senior und Dietrich Mummentey junior, Henrichs Sohn, aus Hiddestorf. 1602 wird Margreta Mummentey, errechnet nach einer Eintragung in das Hiddestorfer Kirchenbuch, geboren:“ Anno 1672  Den 9 Martii ist Margreta Mummentei weiland Ehrn Petri Nordhofii gewesenen Hiddestorfer Kirche 27 jährigen Predigers Witwe morgens zwischen 4? gestorben, R t: Jar 70 und den 14 Martii begraben worden.“ Kirchenbuch Hiddestorf a.a.O. S.

Während Margretas Kindheit wird zwischen Bredenbeck und Bennigsen noch der Mummendey-Baum gestanden haben. Was hat sie vom Straßenräuber Mummendey gewußt? Kannte sie seine familiäre Herkunft, glaubte auch sie an ein Gottesurteil, das die ihrer Krone beraubten Eiche wieder heranwachsen ließ und so wenigstens den Namen des Gehenkten lebendig erhielt? Wie mag dieser Vorgang auf die kleine Schar der Namensträger in den Dörfern um Pattensen herum gewirkt haben? Lag hier der Grund, daß der Hiddestorfer Mummenthei ohne Vornamen eingetragen wurde, allerdings steht Tilke Mummentei aus Gestorf mit vollem Namen im Register der Türkensteuer. Diese beiden sind dann auch alle Träger dieses Namens, die im Calenberger Land um 1557 lebten, ein vollständiges und vollständig eingesehenes Register der Türkensteuer vorausgesetzt.