Groß - und Klein Lobke

Nach einem wenig erfolgreichen Tag in der Pattenser Dependance des Hauptstaatsarchivs Hannover und einem verspäteten Mittagessen im "Calenberger Hof" lockte mich der schöne Tag draußen, die Hauptdörfer der Mummentheys im Hildesheimischen Clauen, Lühnde, Groß Lobke und Klein Lobke einmal zu besuchen, den genius loci zu beschwören, das Geheimnis um die Zusammenhänge mit den Calenberger Namensträgern bei einer Ortsbegehung, fast auf den Spuren der Namensverwandten, ein wenig zu lüften. Gross LobkeWie Kinder eine Murmel der verlorenen nachwerfen, in der Hoffnung, sie würde von der entschwundenen magisch angezogen. Der Weg über die B 443, an Koldingen und Rethen vorbei, durch das Bockmerholz, das an die Freien vor dem längstverschwundenen Nordwalde errinnert, über Bolzum (Boltessem) nach Lühnde und schließlich auf den schmalen Landstraßen der Hildesheimer Börde nach Groß Lobke. Dann stehe ich vor der verschlossenen St. Andreaskirche, einem 1861 fertiggestellten Neubau als Ersatz für den zu klein gewordenen 1178 gegründeten Kirchenbau, dessen wenn auch gekürzter Turm, die Zeiten und auch Bombentreffer gegen Ende des zweiten Weltkrieges überdauert hat, die das Gotteshaus in Schutt und Asche legten. Unter dem Oppermannstuhl, der alten Kirche ruht der Groß Lobker Pastor Johann Mummenthey; ein scheuer Blick über die Grabsteine des nahegelegenen Friedhofes, fast zur Legitimation, die, wie erwartet verneinte obligatorische Frage; die Zeit ist über die Namen hinweggegangen, es gibt auch keine steinernen Zeugen mehr.
Weitere topografische Anhaltspunkte habe ich für Groß Lobke nicht, so fahre ich ein paar mal durch den Ort und dann nach Süden , nach Clauen, aus dem die Eltern des Pastors Johann Mummenthey stammen, der auch in der Kopfsteuerbeschreibung des Hochstiftes Hildesheim von 1664 gleich zu Beginn der Liste aufgeführt ist: Herr Johann Mummentey, Pastor, Frau, 1J, 1M, 43 Mg Pfl, 2 Pfe, 6 Kü, 6 Rr, 8 Swe. - (4), Bardehle a.a.O. S. 197. Ich mache einige Aufnahmen und fahre den Weg zurück, weiter nach Norden, nach Klein Lobke, dessen Häuser längs der schnurgeraden Straße Spalier stehen. So finde ich leicht den Hof Nr. 9, hier hat nach dem Kontributions-Kataster von 1680, Eckloff Mummenthey gelebt, lange nicht so gut ausgestattet wie der wohl nur nebenberuflich Landwirtschaft betreibende Groß Lobker Pastor. Der ehemalige Halbmeierhof ist nun ein Seniorenheim. Enttäuscht packe ich die Kamera wieder ein, nach vergeblichen Versuchen einen geeigneten Blickwinkel zu finden, um etwas von der alten Substanz zu erfassen. Durch Rethmar, wo nach dem angegebenen Kataster Hanß Mummenthey auf einem Köthnerhof saß, fahre ich über Sehnde nach Hannover zurück.

Was fehlte diesem Landstrich nun, der, für eine Zeit von gut zweihundert Jahren Heimat von Einwohnern mit einem seltenen Familiennamen, in meinen Gedanken konkurriert mit dem Land zwischen Deister und Leine, wo die Mummentheys in den meisten Orten auch nicht länger residierten. Sind es die magischen, frühen Jahreszahlen 1384 (Kloster Wülfinghausen / Lüdersen) 1406/09 (Erfurt, Leipzig: Hinrik Mummentey de Hanower) und 1425/30 (Harkenbleck und Holtensen), die vielleicht nur als Spiel des Zufalls eine Häufung von Daten vorgaukeln, die mit der tatsächlichen Verteilung des Namens gar nicht übereinstimmt?
Wochen später finde ich im Hauptstaatsarchiv Hannover in einem Register der Calenberger Vögte des Amtes Coldingen über 'upname und utgaue des huses Coldingen und Ruthe' aus dem Jahre 1533 einen Eintrag über ein Meierding zu Müllingen, in dem ein Hans Mumhentey tho Loopke genannt wird, nach Luder Mummentey aus der Stadt Hildesheim, der nunmehr früheste, direkte Beleg aus der Hildesheimer Umgebung. Die von Adolf Probst, Pastor in Groß Lobke, verfasste Darstellung über "Das Kirchspiel Groß- und Klein-Lobke in alter und neuer Zeit", 1899 bei Gerstenberg in Hildesheim erschienen, ein Geschenk von Wolfgang Mummenthey bei einem Besuch in Moers, hilft nun bei der ethymologischen und topografischen Einordnung des lapidaren 'Loopke'. Zunächst wird die Vielfalt der Schreibweisen: Lopke, Lobke, Loipke durch die Ableitung von Loabeke (Loh=Wald und Beke=Bach) auf das heute gebräuchliche Lobke mit b wie beke auch mnemonisch eingeschränkt. Die Entscheidung, ob Klein- oder Groß-Lobke gemeint ist, kann nur indirekt getroffen werden. Als Folge der Hildesheimer Stiftsfehde beschreibt Adolf Probst die Gebietsabtretungen:"...So kam Gr.-Lobke, zum Amte Ruthe gehörig, an Kalenberg. Als Landesherrn von Kl.-Lobke dagegen traten 1528 beide Herzoge Heinrich d. J. von Braunschweig und Erich von Calenberg auf. In einer Urkunde, ausgestellt am Freitag nach dem Tage Matthias des Apostels, geben sie gemeinsam dem Kloster Wienhausen die Erlaubnis, eine verwüstete Dorfstelle 'Lüttjen Lopke, in unserem Gerichte Ruthe belegen, welche das Kloster nebst 22 Hufen Landes eigentümlich geerbt, jetzo aber (wahrscheinlich infolge der Stiftsfehde) einige Zeit wüste und unbebaut gelegen, wiederherzustellen: mit richte, rechte, deenste und aller overicheit, uthgesloten uns mit deme landschate und lantfolge gliek andern usen gewärtig und volgig to syn.' - Indessen machten außer diesen beiden nun auch die Celler Herzöge ihre alten Ansprüche auf Kl.-Lobke wieder geltend. In dem 1538 über den Besitz von Kl.-Lobke abgeschlossenen Vertrage von Isernhagen wurden dieselben auch berücksichtigt und beschlossen, daß zwar das Kloster Wienhausen die Gerichtsbarkeit über seine Leute in Kl.-Lobke ausüben, im übrigen aber das Dorf selbst unter gemeinsamer Oberhoheit des Hauses Braunschweig, d.h. sämtlicher welfischer Herzoge stehen sollte. Doch scheint der Celler Herzog als der am nächsten wohnende thatsächlich bald allein die Herrschaft in Kl.-Lobke sich angemaßt zu haben. Wenigstens berichtet 1542 der Pastor von Harber, auch Kl.-Lobke sei 'von wegen mines gnedigen Herren', d. i. des Celler Herzogs Ernst, zum Kirchspiel Harber gelegt.", A. Probst, a.a.O. S. 17f

Nach diesem Vorgriff nun weiter in der Geschichte des Kirchsspiels Groß- und Klein Lobke. Hildesheim, Bischofssitz, des siebten, der von Karl dem Großen gegründeten niedersächsischen Bistümer Osnabrück, Münster, Paderborn, Minden, Bremen-Verden und Halberstadt, wurde im Westen von der Leine, im Osten von der Oker, im Norden von der Aller und im Süden von einer Linie mit den Orten Kreiensen und Clausthal begrenzt. Ursprünglich soll Elze Bischofssitz gewesen sein, der dann von Ludwig dem Frommen 815 nach Hildesheim verlegt wurde. Die zur kirchlichen Versorgung des Landes geschaffenen Archidiakonate oder Mutterkirchen deckten sich in ihrem Einflußbereich in etwa mit den von Karl dem Großen eingerichteten Gauen, die wiederum, an den alten sächischen Gauen orientiert, von Sachsenedlen als Gaugrafen (Gogreve) verwaltet wurden. Vom Archidiakonat im Gau Ostfala, ehedem das Dorf Lühnde (Liulinde, Lulende 1117 als Mutterkirche urk. erwähnt), wurden im Laufe der Zeit Tochter- oder Filialgemeinden abgezweigt so Haimar 1117, Sehnde, Ilten, Bolzum 1277 und 1178 das Kirchspiel Groß- und Klein Lobke. "Die Stiftungsurkunde hat sich erhalten, ist mehrfach gedruckt und befindet sich in einer am 23. März 1653 vom Probste des Sülteklosters zu Hildesheim mit Unterschrift und Siegel beglaubigten Abschrift auch in der hiesigen Pfarr-Registratur. Sie ist lateinisch geschrieben und lautet in deutscher Übersetzung folgendermaßen:

Im Namen der Heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit !
Wir Adelhohg, von Gottes Gnaden der Hildesheimischen Kirche Bischof halten es für würdig, was wir in den Tagen unserer Amtsführung zu der Ehre des Namens Gottes und der Kirche Ruhm als etwas zur Mehrung und zum besten der Gläubigen Christi dienendes unter Gottes Beistande von uns aus anordnen, der lange lebenden Schrift anzuvertrauen, damit es durch den Bericht eines sicheren Zeugnisses zur Kenntnis der Nachkommen gelangen möge. So ist unser Wille, daß durch die Angabe dieses Blattes allen, sowohl den gegenwärtigen, als den zukünftigen Gläubigen Christi bekannt werde, wie wir auf Grund der Bitte unserer Lieben, Heinrichs, des Probstes im Sültekloster und Tyithmars unseres Mitdomherrn, Erlaubnis gegeben haben, in dem Dorfe Süd-Lobecke zur Ehre Gottes und des heiligen Apostels Andreas eine Kirche zu bauen. Während nämlich die Leute aus Süd- und Nord-Lobecke bisher in der Parochie Liulinde unter jegliche Verpflichtung christlicher Observanz gestellt waren, so haben unter Zustimmung des vorhin genannten Probstes Heinrich, zu dessen Bezirk die Mutterkirche gehört, sie und alle Einwohner jener Dörfer für ihre Abtrennung eine in Süd-Lobeke gelegene, jährlich 10 Solidos ( Schilling) einbringende Hufe der Mutterkirche gegeben, damit sie Taufe, Begräbnis und alle geistlichen Handlungen zu vollziehen in ihrer neuen Kirche freien Willen hätten. Doch sollen sie die Mutterkirche, wenn sie etwa vor Alter zusammenstürzt oder durch Feuer zerstört wird, unterstützen, und wie sie früher pflegten, sich zum Sendgerichte einstellen. - Ferner haben die vorhin genannten Leute zur Ausstattung ihrer eigenen neuen Kirche 2 Hufen ausgesetzt. Sie selbst, die neue Kirche, soll unter Zustimmung und mit Willen der Bewohner von dem Probste der Kirche des heiligen Bartholomäus verliehen und der ordentlicher Weise einzusetzende Priester von demselben Probste die Belehnung mit den geistlichen und weltlichen Rechten empfahen. Damit nun dieses alles, wie es von uns geordnet ist, als hergebrachtes Recht künftig unverletzlich beobachtet werde, haben wir in Kraft des Allmächtigen Gottes unter dem Jahre der seligen Apostel Petri und Pauli aufs festeste bestimmt und befohlen, dieses in dieser Sache geschriebene Blatt unserer Verordnung zum Zeichen der Gültigkeit mit unseren Siegel zu versehen. -
  Geschehen zu Hildesheim im Jahre 1178 der Menschwerdung des Herrn, am 20. März.

  Zeugen aber sind diese: Berthold Major, Probst; Conradus Decanus; Bertholdus Bruno, Magister der Schulen; Herebordus, Priester; Widekinn, Teithmar, Diakonen, diese der alten Kirche; Heinrich, Probst der Sülte; Johannes Backem Oder, Probst; Heyt Heinrich, Ranthwich, Luideger, Priester; Gerard und Friedrich, freie Männer, Bruno von Kemme, Lüder, Haold, Johannes Buthard, Adelbert, Isui, Bruningh, Berward, Ido und die übrigen Bewohner des Kirchspiels.", A. Probst, a.a.O. S. 10f
Der Text dieser Urkunde ist in vielerlei Hinsicht ein ausführliches Zitat wert. Er spiegelt Wandel und Kontinuität nicht nur im Bereich der Namenskunde und Namengebung und ist ein kleines Beispiel gebräuchlicher Namen dieses Archidiakonats. Die zwei Hufen, zur Ausstattung der Kirche ausgesetzt, entsprechen den 42 Morgen Pfarrland (Pfl.) über die Johann Mummenthey verfügte, wohl ausreichend, so daß er zu Clauen, ebenfalls laut Kopfsteuerbeschreibung 1664 unter Brinksitzer, folgendermaßen aufgeführt ist: "Herr Johannes Mummenthei, Pastor in Groß Lobke, hat hier einen wüsten Hof mit 5 Mg El." (5 Morgen Erbland), Bardehle a.a.O. S. 141. Abgaben in Naturalien und Geld an Kirchen und Kapellen wurden z. T. erst in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts abgelöst, als letztes Relikt einer ehemals umfassenderen Grundherrschaft. Eine besondere Rolle spielten in der Entwicklung des Kirchspiels Gr.- und Kl.-Lobke die Gau-, Grafen- oder Freigerichte. Adolf Probst berichtet dazu:

"Das Gericht unseres Gaues Ostfala wurde auf dem Hassel bei Lühnde gehalten. Diesen Namen führen noch manche andere Berge Niedersachsens; derselbe deutet immer darauf hin, daß dort eine Gerichtstätte gewesen ist. Und zwar soll dieser Name herkommen von der Befriedigung dieser Stätte; es wurden nämlich Haselstäbe im Kreise ringsum gesteckt und Schnüre um dieselben gezogen. Diese einfache Schutzwehr genügte, um die Menge zurückzuhalten; es wagte niemand den Frieden des Gerichtes zu brechen. - Wie schon erwähnt, hat sich das Freigericht in Lühnde bzw. Ilten noch lange erhalten, als alle anderen Freigerichte Niedersachsens schon verschwunden waren. Dieses schnelle Eingehen derselben hatte seinen Grund in dem Verschwinden der gemeinen Freien, dieses Kernes des alten Sachsenvolkes, überhaupt. [...] Die Adeligen, welche vom Könige zu Gaugrafen ernannt waren, machten diese Würde in ihren Familien erblich, so wurden aus ihnen Fürsten- und landesherrliche Familien. Die übrigen Adeligen traten in ihre Dienste ein und wurden Vasallen der Fürsten; aus ihnen entwickelte sich der ritterliche Adel. Die gemeinen Freien endlich, die Bauern, gerieten immer mehr in Abhängigkeit von dem Adel, ihre freien Besitzungen wurden Lehns- oder Meiergut und sie selbst unfrei. Sie erschienen nicht mehr zum Freigericht, und dieses hörte mit der Einführung des römischen Rechts um 1500 ganz auf. Freie Leute gab es nur noch in den Städten.
Nur ein kleiner Kreis Niedersachsens blieb vor jenem Geschick bewahrt, nämlich jene zum Iltener Freigericht gehörigen Genossen, auch die "Freien vor dem Walde" genannt, die wieder in die "Großen Freien" und die "Kleinen Freien" zerfielen. Ihnen gelang es, einen Teil ihrer alten Freiheiten und Rechte zu erhalten, dank ihrer abgelegenen, waldumgebenen Wohnsitze und ihres zähen Festhaltens an den althergebrachten Sitten. Sie hielten als "Freie" nicht nur selbst Gericht sondern durften auch nach Belieben über ihr Eigentum verfügen und dasselbe verkaufen; sie konnten gehen, wohin sie wollten und waren nicht an die Scholle gebunden. Es herrschte volle Freiheit des Gewerbes unter ihnen. Jeder war zur Ausübung der Jagd im Gebiet des ganzen "Freien" berechtigt. Sie waren steuer- und abgabenfrei, bis auf den Königszins, dagegen auch wie die alten freien Sachsen zum Heerbann verpflichtet, und diese letztere Pflicht des Kriegsdienstes wurde im Laufe der Zeit eine drückende Last. Bis in die neueste Zeit hinein haben diese Rechte und Pflichten der Iltener Freien bestanden. -
Daß sie nur den Bewohnern des nördlichen Teils des alten Gaues Ostfala, den Bewohnern des Amtes Ilten erhalten blieben, dagegen denen des südlichen Teiles, des späteren Amtes Ruthe, verloren gingen, hatte hauptsächlich darin seinen Grund, daß diese immer mehr unter die landesherrliche Gewalt der Hildesheimer Bischöfe gerieten und so eine Teilung des alten Gaues eintrat. Schon die ersten Gaugrafen hatten Beziehungen zu den Bischöfen. So war Tammo (1022) ein Bruder des berühmten Bischofs Bernward. Später, besonders nach dem Tode Heinrichs des Löwen, dehnten die Bischöfe immer mehr ihre Macht über den südlichen Teil des Gaues aus, so daß die Gaugrafen bald bloße Lehnsleute derselben waren. -

Dagegen suchten die welfischen Herzöge von Lüneburg -Celle ihre landesherrliche Gewalt immer mehr im Norden des Gaues zu befestigen. Die schließliche Folge dieses lange Jahre währenden Streit es war endlich, daß im 15. Jahrhundert das Gebiet des alten Gaues geteilt wurde: der Norden (Ilten) fiel an Lüneburg, der südliche (Lühnde, Ruthe) an Hildesheim. Eine Spur noch von der früheren Zusammengehörigkeit hat sich darin erhalten, daß auch aus diesen hildesheimischen Dörfern, z. B. Groß Lobke, Lühnde, Wätzum und Wehmingen einzelne die Abgabe der Freien, den Königszins, nach Ilten zahlen mußten, zum teil noch bis 1858. Er betrug 3 Pfennig bis 4 Gutegroschen und mußte den Tag nach Michaelis bezahlt werden; sonst stieg er alle 24 Stunden um das Doppelte. Ebenso mußten noch bis zu demselben Jahre einzelne Bewohner von Gr.- Lobke, Hohenhameln und Ohlum Freidings Gerste, und drei Hufen des Dorfes Clauen Hafer nach Ilten zahlen.
Wie nun der ganze alte Gau Ostfala in zwei Teile zerfiel, die unter verschiedene Landesherren kamen, so ging es im kleinen dem Kirchspiele Groß Lobke. Bis ins 15. Jahrhundert standen beide Dörfer Groß- und Klein-Lobke unter den hildesheimischen Bischöfen. Doch machten die Lüneburger Herzöge den Besitz von Kl.-Lobke, dem nördlich gelegenen Dorfe, den Bischöfen fortwährend streitig und wußten es schließlich durchzusetzen, daß Kl.-Lobke lüneburgisch und dann auch in die Genossenschaft der Iltener Freien aufgenommen wurde. Um das zu erklären, müssen wir noch mehr auf die Geschichte von Kl.-Lobke eingehen. Die Eingesessenen dieses Dorfes waren im Mittelalter Meierleute des Klosters Wienhausen bei Celle, d.h. der von ihnen bebaute Grund und Boden gehörte jenem Kloster zu eigen, die Bauern waren gegen Zahlung bestimmter Abgaben nur damit belehnt. Diesen Grundbesitz in Klein-Lobke hatte das Kloster teils durch Kauf erworben, teils geschenkt erhalten. So verkaufte 1229 Dietrich von Tossum den Zehnten vor Kl.-Lobke, 1277 Bodo von Saldern vier Hufen, in Klein-Lobke gelegen, an Wienhausen; so schenkte 1296 Basilius von Rutenberg 5 Hufen und 1297 der Ritter Konrad 4 Hufen in Kl.-Lobke jenem Kloster. Die beiden Erwerbungen von 1229 und 1296 wurden von dem Grafen von Wernigerode als Oberlehnsherrn der Höfe, die von 1277 und 1297 durch die Bischöfe von Hildesheim bestätigt. Letztere übten auch die landesherrliche Gewalt über den ganzen Ort, als zum Hildesheimer Stifte gehörig, aus.
Darin trat eine Änderung ein durch die sogenannte Hildesheimer Stiftsfehde ( 1519 - 1523). - Dieser kriegerische Streit entbrannte zwischen dem Bischof Johann IV. v. Hildesheim und den Adeligen des Stiftes. Letzteren hatten frühere Bischöfe, die leichtsinnig gewirtschaftet und in steter Geldnot sich befunden hatten, bischöfliche Burgen und Güter gegen Darlehen in Pfand gegeben. Als nun der umsichtige und sparsame Johann daran ging, die verpfändeten Güter wieder einzulösen, weigerten sich jene, dieselben zurückzugeben und griffen zu den Waffen. Die zunächst bloß örtliche Fehde dehnte sich dadurch weit über die Grenzen des Stiftes aus, daß beide Parteien sich nach Bundesgenossen umsahen und solche fanden: die Adeligen in den Herzögen Heinrich der Jüngere von Braunschweig und Erich von Calenberg, der Bischof in dem Herzog Heinrich von Lüneburg. Auf die Geschichte dieses traurigen Krieges, der blühende Städte und Dörfer des hildesheimischen Landes zerstörte und weite schöne Auen in Wüsteneien verwandelte, wollen wir hier nicht weiter eingehen. Es wurde trotz der für den Bischof glücklichen Schlacht bei Soltau durch Eingreifen des Kaisers Karl V. zu ungunsten des Bischofs entschieden; im Frieden zu Quedlinburg mußte Johann fast sein ganzes Land abtreten und behielt nur das sogenannte kleine Stift, d.h. die Ämter Steuerwald, Marienburg und Peine. Das gesamte, sogenannte Große Stift, bestehend aus den Ämtern: Gronau, Poppenburg, Ruthe, Winzenburg, Hunsrück, Liebenburg, Woldenberg, Steinbrück, Bilderlahe, Wiedelah, Vienenburg, Schladen mußte abgetreten werden, und zwar der nördlich von Hildesheim gelegene Landstrich, sowie ein großer Teil des heutigen Calenbergischen an Herzog Erich, das südlich von Hildesheim gelegene Gebiet bis zum Harz an Herzog Heinrich von Braunschweig. - So kam Gr.-Lobke, zum Amt Ruthe gehörig, an Kalenberg. Als Landesherren von Klein-Lobke dagegen traten 1528 beide Herzoge Heinrich der Jüngere von Braunschweig und Erich von Calenberg auf.
", A. Probst, a.a.O. S. 15 -17

Neben diesen ausführlich zitierten direkt auf die Orte Groß- und Klein Lobke bezogenen historischen Hintergründen, deren Quellen leider nicht belegt sind, die aber auf Zusammenhänge mit dem Calenberger Land ein neues Licht werfen, hat A. Probst zu seinen Vorgängern auch einige Daten zum Pastor Johann Mummenthey zusammengetragen:"

Johann Mummenthey, gebürtig von Claaven ( Clauen ); sein Vater hat geheißen Heinrich Mummenthey, die Mutter Margarete Jendel. Im August 1642 zog er in Groß- Lobke ein; vorher war er lutherischer Pfarrer in Algermissen . Am Sonntage Septuagesimä 1671 verheiratete er sich zum zweiten Male mit Anna geb. Haarstich, der Witwe des Bruno Heinrichs. Er starb am 11. Oktober 1673, "dieser Groß- Lopschen und Klein- Lopschen threufleißiger Seelenhirt, nach dem er vor seinem Tode 2 Thage recht krank gewesen ist, die Nacht 12 Uhr, und ist 12 Tage danach in die Kirche unter dem Opfermannstuhle begraben. Die Bestallungsurkunde ist geschrieben und unterzeichnet von dem bekannten Generalsuperintenden und Liederdichter Justus Gesenius zu Hannover und ist gerichtet an Johann Vehkenstedt zu Lühnde, Seniorem der Inspektion Neustadt vor Hannover und Konrad Block, Amtmann zu Lauenburg ( Coldingen). Sie lautet folgendermaßen:

"Unserer freundlich Dienst und Willfahrung zuvor! Würdige und wohlgelehrte, auch achtbar und günstige gute Freunde. Euch ist wissend, dass die Pfarre zu Großen- und Lüttkenlopken durch Abzug Ehren Joachimi Gesenii erledigt worden. Als nun Illustrissimus Herr Christian Ludwig, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, unser gnädiger Herr, Ehren Johann Mummenthey, gewesenen Pastoren zu Algermissen, auf erst gemeldeten Pfarrdienst zu Großen und Lüttken Lobke herwieder gnädig präsentirt und sich vermöge Fürstlich - Braunschweigischer Kirchenordnung weiter gebühret , ihn seinen künftigen Pfarrkindern um Abhaltung einer Probepredigt zur Erlangung ordentlicher Vocation fürzustellen, so begehren an statt seiner kurfürstlichen Gnaden vorhochgedacht wir hiermit an Euch, für uns freundlich gesinnt, daß Ihr Euch fürdersamst dahin nach Großen- und Lüttkenlopke verfüget und präsentierten Mummenthey in Versammlung und Anwesenheit der zu solchem Rat vorher dahin geforderten Gemeinde und Eingepfarrten auf die Kanzel treten und predigen lasset, nach geendigter Predigt die gesammten Zuhörer, ob sie mit seiner Person zufrieden und an den ihm von Gott gegebenen Gaben begnügig seien, befragt. Da sie dann auf ihn willigen , auch mit Bestande an Lehre und Leben nicht zu beschuldigen wissen, sie vermahnen , daß sie ihn gebürlich vociren, auch zum Zeugnis dessen einen schriftlichen Schein, solchen nachgehends dem fürstlichen Consistorio allhier zu fertigen, erteilen. Darauf, wenn es nämlich der Vocation seine Richtigkeit erlanget, Ehren Johann Mummenthey für Pastoren daselbst zu Großen- und Lüttkenlopken allermaßen im Namen unseres gnädigen Fürsten und Herrn vorhervermeldet kraft dieses dazu confirmiert und bestätigt sein soll: sofort immittiret und erweiset, seinen zur Zeit angehenden Pfarrkindern daselbst auch daneben auferleget und befehlet, daß sie ihn für ihren Prediger erkennen, fürchten, lieben und ehren in allen christbilligen und sein Amt angehenden Sachen, ihm gehorsam und folgen, auch was zu selbiger Pfarre an jährlichen Einkommen gehörig und sie ihm daneben zu lieferern verpflichtet sind, ein solches allemal zu rechter, fälliger und besagter Zeit, ohne Abbruch und Verweigerung ihm reichen, geben und entrichten, sich auch sonst obvermeldeter fürstl. Kirchenordnung erweisen und verhalten sollen. Versehen uns dessen und sind Euch zu freundlichen Diensten und Willfahrungen geneigt. Hannover, den 14. August 1642. Fürstlich Braunschweigisch - Lüneburgische Consistorial- und Kirchenräthe des Fürstentums Calenberg.

M. Justus Gesenius

Ungefähr drei Generationen nach Johann Mummenthey, der durch Studium und Beruf an den Baccalaureus von 1409 erinnert, stirbt der Name in Groß und Klein Lobke aus - so auch in den in näherer und weiterer Umgebung gefundenen Orten, in denen Namensträger vereinzelt vorgekommen sind. Über eine kleine Zeit gibt es noch Einträge über Eheschließungen und Sterbefälle der verbliebenen weiblichen Mummenthey Nachkommen. Zweihundert bis zweihundertfünfzig Jahre, wie in Oerie, in Hannover, in Groß und Klein Lobke und auch in Schoningen, länger hält sich der Name an keinem Ort. So ist es auch in Osterode und Werningerode und nur Weißenborn/Lüderode bietet im weiteren niedersächsischen Bereich eine Ausnahme, dort leben seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges Nachkommen von Conrad Mummenthey undApollonia Krehel, die sich bald Mummendey und Mumdey schreiben.
Neben den frühen und zahlreicheren Belegen aus dem engeren Calenberger Bereich oder mit einem deutlichen Bezug auf ihn: 1384 Lüdersen, 1406/09/11 Erfurt/Leipzig/Stadthagen, 1425/30 Holtensen und Harkenbleck, 1439 Hannover, 1500 Bredenbeck, 1557 Gestorf und Hiddestorf, denen im Stift Hildesheimer Bereich nur 1506 Hildesheim und 1533 Lobke gegenüberstehen, geben das Calenberger Hausbuch von 1592 und die Erbregister der Ämter Ruthe und Koldingen von 1593 ein ganz anderes Verhältnis wieder. Das Calenberger Hausbuch verzeichnet nur für Hüpede und Oerie je einmal und unter Jeinsen zweimal den Namen Mummenthey. Im Erbbregister der Ämter Ruthe und Coldingen dagegen einmal in Lühnde, fünfmal in Groß Lobke und zweimal in Klein Lobke. Die Kopfsteuerbeschreibungen von 1689 und die von 1664 für das Hochstift Hildesheim als ähnlich umfassende Register bestätigen diesen Eindruck. Nur noch in Oerie und in Jeinsen, als Interimswirt Oerier Herkunft, ist der Name Mummenthey genannt. Es scheint, als hätten die beiden Neubürger 1592 und 1603 in Hannover, beide mit dem Namen Ditrich Mummentey, mit letzter Kraft die rettende Stadt erreicht, in der dann der Name noch hundert Jahre länger erhalten bleiben sollte als in dem Calenberger Umland (Hiddestorf und ?), dem sie entstammten. Die Kopfsteuerbeschreibung des Hochstifts nennt dagegen in Clauen zwei, in Groß Lobke fünf, in Ahstedt zwei, in Groß Himstedt einen und das Erbregister von 1667 der Amtsvogtei Ilten in Klein Lobke zwei Namensträger.
Nach der bisherigen Quellenkenntnis gibt es nach 1506 keine Neubürger des Namens Mummenthey in Hildesheim, so daß anzunehmen ist, daß die Halbmeier und Köthner Mummenthey noch vom Land ausreichend ernährt wurden, ja daß sogar ein über bloße Reproduktion und Selbsterhaltung hinausgehendes Interesse an immateriellen Werten vorhanden war und gestillt werden konnte, wie es Studium und Amt des Pastors Johann Mummenthey erweisen.
Wenig ist über ihn bekannt. Gebürtig aus Clauen (1595 ?), Sohn von Heinrich Mummenthey und Margarethe Jendel, der Name der Mutter in keiner der bisher angeführten Quellen benannt, ist er im 77. Semester 1616 in den Matrikeln der Universität Helmstedt eingetragen:
Studiosi inscripti sunt
24. Johannes Mummentey Clauwensis
und 1632 ordiniert für sein erstes Amt an der lutherischen Kirche in Groß und Klein Algermissen:
102. Semester
1632 Ordinati sunt ad officium ecclesiasticum

12. Johannes Mummentheus, Clauensis 12. Aug. 1632 apud Algermissensis in pago maiori et minori,

Matrikel der Universität Helmstedt, a.a.O. S. ...,das er zehn Jahre innehat, bevor er Pastor in Groß und Klein Lobke wird, wie es die oben zitierte Bestallungsurkunde ausweist.
Die lange Zeit von 16 Jahren beginnend mit der Immatrikulation in Helmstedt und der Ordination in Algermissen ist durch den Dreißigjährigen Krieg bedingt, der zwei Jahre nach Aufnahme des Studiums seinen verhängnisvollen Anfang nahm und noch sechs Jahre die Amtsübernahme in Lobke überdauern soll. Die Bestallungsurkunde geht mit keiner Silbe auf diese Zeit ein. Adolf Probst, der alle Lobker Pastoren seit der Reformation aufgeführt hat: " 4. Sein Nachfolger {des Anreas Brunonius, der am 7. März 1589 mit der Pfarre belehnt wurde; weitere Daten fehlen} war Petrus Hagemann; er bekleidete die Pfarrstelle in der ersten Hälfte des 30jährigen Krieges und hat alle seine Schrecken mit durchlebt. 1627 wurde das Pfarrhaus zerstört, er selbst vertrieben. Wie und wo er geendet hat, ist nicht zu ersehen". Und an anderer Stelle:" Statt des evangelischen wurde auch in unseren Dörfern wieder katholischer Gottesdienst zwangsweise abgehalten und die evangelischen Prediger fast überall vertrieben. Man stellte ihnen wohl einen weißen Stab und ein Paar Schuhe vor die Thür, und wenn sie diesem deutlichen Wink, sich auf Wanderschaft zu begeben nicht nachkamen, so wandte man Gewalt an. So wurde auch der lutherische Pastor von Gr.- Lobke 1627 vertrieben und bei dieser Gelegenheit das erst 1590 neu erbaute Pfarrhaus 'so arg zugerichtet, daß es nicht länger als drei Jahre mehr stehen konnte'. Auch die Kirchenbücher werden bei dieser Gelegenheit mit verbrannt sein; erst vom Jahre 1637 an sind sie wieder geführt und von da an lückenlos vorhanden. Und erst 1641 konnte man daran gehen, ein neues Pfarrhaus zu bauen. - Wie sah es daher im Lande aus, auch als 1648 Friede wurde! Viele Dörfer waren ganz verschwunden und sind zum Teil überhaupt nicht wieder aufgebaut; die übrig gebliebenen zählten teilweise nur wenige Häuser und Bewohner; die Felder lagen unbebaut.", A. Probst, a.a.O. S. 24 u. 30f.
Petrus Hagemann war ein Zeitgenosse von Petrus Nordhofius, dem Hiddestorfer Pastor, der mit Margreta Mummentey verheiratet war, in einer Zeit, die es geraten sein ließ, ein Fels nicht nur im Vornamen zu sein.